Reisebericht von Ingrid Rickhoff
Die erste Englandreise der Staudenfreunde Münsterland
Der erste Tag
Nach langer Vorfreude fahren wir am Donnerstag, dem 25. Juni 2009, um 7.00.Uhr, pünktlich in Münster am Hauptbahnhof los. Ab Mühlenhof steigen weitere Teilnehmer zu und in Duisburg auch noch. Wir, das sind 33 Gartenbegeisterte der Gartenfreunde Münsterland, die sich zum Teil kennen oder jemanden kennen, der jemanden kennt.
Unsere beiden Reiseleiter, Frau Stokman und Herr Rusch, begrüßen uns und machen uns mit den Details unseres Programms vertraut. Damit die Reisezeit nicht zu lang wird, werden kleine Kurzgeschichten zum Thema Garten vorgelesen. Den ersten Garten erreichen wir um 11.00 Uhr.
Dina Deferme & Tony Pirotte, Privatgarten in Belgien, Stokrooie (Hasselt)
Die Hausherrin hat noch eine andere Reisegruppe zu begleiten und bittet uns noch um ein klein wenig Geduld.
Vornehme Zurückhaltung ist aber nun nicht mehr von unserer Gruppe zu erwarten. Zwar versorgen sich die meisten erst einmal mit Tee oder Kaffee, aber untätig auf einer Bank zu sitzen und zu warten, scheint doch zuviel verlangt. Man schaut schon mal um die Ecke, riecht hier und da an den Rosen, zieht die Schuhe aus, um barfuß das Gras zu fühlen.
Endlich geht es los. Frau Deferme hat uns eine Menge zu berichten, Ihr Hauptziel bei der Gestaltung ihres Gartens ist: Ruhe.
Ruhe bringt sie in ihren Garten durch sorgfältig geschnittene Rasenflächen, akkurat geschnittene Hecken und indem sie viele Wiederholungen in der Bepflanzung vornimmt.
Sie zeigt uns den Vorderhof und Innenhof, Kräuter- und Schattengarten, ein gelb-blaues Beet mit Hemerocallis und Nepeta und einen Teich mit Hortensien und Gunnera als Randbepflanzung.
Das Eindruckvollste für mich: Mitten in ihrer Anlage liegt eine Pferdewiese, 4 ha groß. Nicht an den äußeren Rand des Geländes verlegt, sondern so, dass sie ihre geliebten Pferde schon morgens vom Haus aus begrüßen kann.
Nur schwer gelingt es uns nach diesem schönen Ausflug wieder in den Bus zu steigen, doch wir haben noch einen weiten Weg vor uns.
Bus fahren, Fährfahrt von Calais nach Dover, und wieder Bus fahren – nur diesmal auf der linken Straßenseite zum Hotel in Ashford.
Der zweite Tag
The Royal Horticultural Society Garden Wisley
Zehn Minuten vor Öffnung des Gartens stehen 33 ungeduldige, deutsche Gartenfreunde vor den Toren und warten auf Einlass.
Als der Weg endlich frei gegeben ist, schwärmt unsere Gruppe spontan in alle Richtungen aus, denn man hat schon im Eingangsbereich dieser Anlage das Gefühl, dass die Zeit nicht reichen wird. Es gibt den Staudengarten, den Rosengarten, den mediterranen Garten, Versuchsfelder, ein 12.00 Meter hohes Glashaus mit exotischen Pflanzen, einen Modellgarten, den Kräutergarten, den Gemüsegarten, ein Arboretum sowie ein Pinnetum und natürlich große Exemplare von Gunnera manicata.
Wir geraten ein wenig in Hektik, weil wir die Fülle kaum bewältigen können. Es wird viel fotografiert, vielleicht hilft das später, die Eindrücke zurückrufen zu können.
Wie schon zu Beginn vermutet, reicht die Zeit nicht, nur die Füße freuen sich darauf, im Bus ein wenig verschnaufen zu können.
Loseley Park
Ein kleiner sehr übersichtlicher Garten mit einem traumhaft schönen weißen Garten. Unzählige weiße Blüten in Kombination mit silbrig grünem Blattwerk und in der Mitte ein kleiner Teich, der mit seinem dunklen Grund einen wunderbaren Kontrast darstellt.
Wir werden Zeugen einer sehr stilvollen, sehr britischen und ein wenig schrillen Hochzeitsfeier.
Dritter Tag
Shoppingtour Tenterden
Wahrscheinlich war es die Vorfreude auf Sissinghurst, die uns früher, als ursprünglich vorgesehen, vom Hotel aufbrechen ließ. Das kleine Städtchen ist sehr nett. Es hat eine zauberhafte Kirche und reizende alte Häuser.
Als wir uns am Bus wieder einfinden, tragen einige Damen und ein Herr einen neuen Hut. So kann man sehr stilvoll in Sissinghurst vorfahren!
Sissinghurst Castle & Garden
Jeder, der sich nur ein kleines bisschen mit englischen Gärten beschäftigt, kennt natürlich diesen Garten. Aus unserer Gruppe waren einige zum zweiten, dritten oder vierten Mal da. Fragt man jedoch, ob es nicht schon langweilig wird, diesen Garten anzuschauen, erntet man nur einen mitleidigen Blick. Jedes Mal gibt es Neues zu entdecken, man erlebt den Garten heimeliger, vertrauter, hat das Gefühl bei einer alten Freundin zu Besuch zu sein, so die einhellige Meinung dazu. Mir ist der Aufenthalt dort wieder viel zu kurz und ganz ehrlich, Sissinghurst würde ich am liebsten alleine mit den Gärtnerinnen und Gärtnern erleben, mit Arbeitskleidung und Rosenschere.
Merriments Gardens
Eine Mischung aus Gartencenter und Gartenanlage. Viele schöne Ideen, zu denen man gleich nebenan auch die passenden Pflanzen kaufen kann. Eine Vielzahl Clematissorten, Stauden aller Art und natürlich Rosen.
Nicht unerwähnt bleiben sollte aber, dass ein traumhafter Käsekuchen mit Erdbeeren und Baiser im Café angeboten wird.
Great Dixter
Dieser Garten schien mir spontan sehr voll, ungeordnet, zu wenig thematisiert. Erst bei meinem zweiten Rundgang entdecke ich die Schönheit, kann ihn dann richtig genießen. Ein Farbrausch, der seines Gleichen sucht, unterteilt durch Eibenhecken, die durch schwungvolle Schnittlinien ihre Strenge verloren haben, Baumaterialien, die sich harmonisch einordnen.
Unbedingt lohnenswert ist auch ein Besuch des Hauses.
Vierter Tag
Penshurst Place & Garden, Penshurst
Große Gartenanlagen stellen immer eine besondere Herausforderung dar: Sie wollen erobert werden. Schon beim Eintritt ist man in Sorge, hoffentlich entgeht mir auch nichts! Der imposante Herrensitz mit seiner über 650-jährigen Geschichte überwältigt doppelt. Außen kann man unschwer mehrere Baustile erkennen, innen wird man von einer großen Sammlung an Familienporträts, Polstersammlungen aus dem 17.Jahrhundert und einer riesigen Menge an Porzellan aus vielen Epochen überrascht.
Wir nehmen den Garten in Beschlag, streifen umher und plötzlich finden sich alle in einem Gartenbereich mit Freilichtbühne wieder. Jetzt ein Theaterstück, das wäre toll…, Frau Nitschke hat eine passendere Idee! Sie singt uns spontan ein portugiesisches Lied über den Rosmarin und einen kleinen Moment habe ich das Gefühl, auch die Vögel lauschen ganz andächtig.
Hever Castle & Gardens, Hever
Bei dieser Station unserer Gartenreise zaudere ich einen Moment, ob ich mir das geschichtsträchtige Wasserschloss oder lieber den Garten und die Parkanlage anschauen soll. Zunächst geht es aber doch in den Garten: Ein zauberhafter italienischer Garten, ein Rosengarten, Schachfiguren aus Formbüschen und ein Eiben-Irrgarten sind hier zu erkunden.
Dann geht es ins Haus. Die Geschichte, das Leben und Wirken Heinrich VIII, insbesondere seiner zweiten Ehefrau Anne Boleyn wird hier sehr ausführlich dokumentiert.
Eine wunderbare Zeitreise in eine andere Welt, für die unsere Zeit leider wieder nicht reicht, denn es folgt…
Borde Hill Garden, Haywards Heath
Dieser Park ist in drei Zonen unterteilt: `formal garden´, `south park´ und `woodland walks´. Sehr eindruckvoll sind hier der italienische Garten mit seiner Wassertreppe, aber auch die großen weitläufigen Flächen mit wunderschönen alten und großen Eichen, vielen Acer- und Fagusarten sowie Liriodendron chinenses und vielen Azaleen.
Der fünfte Tag
Wakehurst Place Gardens, Ardingly
Wer einen Rosmarin im Kräutergarten sein Eigen nennt, kann sich vielleicht vorstellen, mit welcher Begeisterung ich hier vor einer Rosmarinhecke stehe, ca. zwanzig Meter lang, einen Meter hoch, gesund und sehr stark. Da wünsche ich mir doch sofort unsere Sängerin mit dem Lied über den Rosmarin herbei und schwärme von einem Glas kühlen Weißwein mit Rosmarinkartoffeln und Kräuterquark.
Die ganze Anlage lädt zu einem Tagesausflug ein, mit Picknick auf der Lichtung im Wald, Geschicklichkeitsparcours am `rock walk´ und einem Einkaufsbummel zum Schluss des Tages.
Town Place Gardens, Danehill
Im Bus, auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel, bin ich müde und überlege, ob ich den nächsten Garten nicht einfach auslasse. Er wird sicher schön, aber mir tun die Füße so weh und was sollte mich an einem Privatgarten noch beeindrucken?
Wie gut, dass der Herdentrieb größer ist als alle Trägheit! Wir werden von einem reizenden Ehepaar begrüßt und auf ihr Anwesen geführt. Der elfte Garten unserer Reise ist überwältigend und stellt viele schon gesehene Gärten in den Schatten. Ein Teil der Anlage mit ca. 400 Rosen von 47 verschiedenen Züchtern, ein anderer verschwenderisch groß nur mit ein paar wegführenden Zypressen. Eine große Wiese mit Liriodendron, Cercis und anderen außergewöhnlichen Bäumen, ein geheimer Garten, den wir erst suchen mussten, da er im Plan nicht verzeichnet ist. Was man dort vorfindet, wird nicht verraten. Am Fuße einer alten Eiche haben die verstorbenen Hunde der Familie ihre letzte Ruhestätte gefunden, die Grabsteine darunter erinnern daran. Es gibt eine `short boarder´und eine `long boarder´sowie einen Garten mit vielen Duft- und Küchenkräutern.
Das Originellste und Beeindruckendste für mich ist aber der Grundriss einer romanischen Kirche als gewachsene Hainbuchenhecke. Es gibt dem Gartenraum etwas Sakrales und Mystisches.
Wie schön, dass es Menschen gibt, die ihr Geld, ihre Zeit und ihre ganze Leidenschaft in so einen Garten legen und uns daran teilhaben lassen.
Goodnestone
Unser letzter Gartenbesuch findet auf einem ca. 300 Jahre alten Landsitz statt. Eine Tante der jetzigen Besitzer hatte ein Faible für Bäume und so verwundert es nicht, dass es viele schöne alte Birken, Eschen, Robinien und Apfelbäume zu bewundern gibt. Das beeindruckendste Exemplar ist eine Libanon-Zeder, die schon zeitgleich mit dem Hausbau angepflanzt wurde.
Reicht die Zeit noch? Nein, sie reicht nur noch für einen Blick in den 'Tea Room' . Herrliche Porzellan-Sammeltassen sind aufgereiht, aus denen der Gast seinen Tee trinken darf. Sie gehen selbstverständlich brav an die Besitzer zurück. Gesammelt haben wir aber doch: Eindrücke, Erlebnisse, Geschichten, Ideen, Erfahrungen, Kenntnisse …( vielleicht doch auch ein paar Samen oder Stecklinge?) und viele, viele Fotos, die uns zuhause helfen, alles gut zu verarbeiten.
Die Rückfahrt über den Kanal gestaltet sich dann sehr mystisch. Kaum haben wir den Hafen von Dover verlassen, wird unser Schiff von einer Nebelbank geschluckt, die sich erst im Hafen von Calais wieder lichtet. Wir waren eben doch für fünf Tage in einer anderen Welt.
Diese Reise und sicher auch die Menschen dieser Gruppe - anfangs unbekannte Leute, später Weggefährten – machen viel Lust auf eine neue Gartenreise nach England.
Bis dann.
Ingrid Rickhoff